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Schlafen

Schlafen

Juli 2021

Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend.  Aber wieso brauchen wir den Schlaf? Und wie beeinflusst er unsere Gesundheit? In dieser Ausgabe erfahren Sie, wie Schlaf und Gesundheit zusammenhängen – und was wir für einen besseren Schlaf tun können. Persönlich, als Arbeitgebende, aber auch als Gesellschaft.

- Während wir schlafen ...
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Während wir schlafen … 

Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend. Aber wieso brauchen wir den Schlaf? Und wie beeinflusst er unsere Gesundheit?

 Text: Christian Baumann

Schlaf ist eine biologische Funktion, welche uns allen bestens bekannt ist. Oftmals, aber nicht immer, ist der Schlaf mit positiven Gefühlen assoziiert. Geschlafen wird im weichen und warmen Bett, fernab von Trubel, in einem selber gestalteten Umfeld und vielleicht neben einem besonders geliebten Menschen. Wer gut geschlafen hat, ist am nächsten Tag eher ausgeruht und fit für den Tag. Neuere Forschung weist darauf hin, dass ein guter, ausreichend langer und regelmässiger Schlaf ausserdem die Leistungsfähigkeit fördert, was sich Spitzensportler häufig zunutze machen. Wer zu schlecht, zu kurz und zu unregelmässig schläft, wird nicht nur müder und schläfriger, sondern auch langsamer, fehleranfälliger und risikofreudiger. Lernen wird ebenfalls im Schlaf verstärkt, indem das Gedächtnis für gelernte Inhalte konsolidiert wird.

Aus medizinischer Sicht ist es aber insbesondere bedeutsam, dass Schlaf und Gesundheit markant aufeinander einwirken. Wer krank ist, schläft häufiger schlechter. Andererseits wirkt sich ein schlechter, zu kurzer oder zu unregelmässiger Schlaf auf die Gesundheit aus. Es mehren sich die Zeichen in der Wissenschaft, dass verschiedene neurologische, psychiatrische und körperliche Erkrankungen durch einen Schlafmangel zumindest begünstigt werden können. Ein wichtiges und zunehmend gut erforschtes Gebiet ist diesbezüglich der Zusammenhang zwischen ungenügendem Schlaf und neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz oder der Parkinson-Erkrankung. Es besteht die zunehmend gefestigte Einsicht, dass ein verminderter Tiefschlaf über verschiedene diskutierte Mechanismen die Ablagerung von Eiweissen im Gehirn begünstigt, was schlussendlich zur Demenz oder zu Parkinson-Symptomen führen kann. 

Auch für andere Erkrankungen bestehen deutliche Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen ungenügendem Schlaf und Erkrankung, wenngleich vielfach die genauere Ursache noch nicht bekannt ist. So gibt es beispielsweise Studien, die ungenügenden oder unregelmässigen Schlaf mit Übergewicht, Diabetes, anderen Stoffwechselerkrankungen, Störungen des Immunsystems, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen oder auch Erkrankungen des Kindes wie das ADHS (Attention Deficit and Hyperactivity Syndrome) assoziieren.

Aus diesem Grund wird Schlaf zunehmend als wichtige zusätzliche Säule für eine gute Gesundheitsvorsorge angesehen, nebst der Ernährung und der Bewegung, also dem Sport. Optimalerweise wird auf alle drei Komponenten gleichermassen geachtet, wobei sich Schlaf, Ernährung und Sport durchaus auch gegenseitig beeinflussen. Tägliche Bewegung und eine gesunde Ernährung fördern beispielsweise einen guten Schlaf, und ein guter Schlaf verbessert die sportliche Leistungsfähigkeit. 

Aus schlafmedizinischer Sicht bestehen daher Empfehlungen, welche wir unter dem Prädikat «Schlafhygiene» sowohl gesunden als auch kranken Personen ans Herz legen: Nebst dem oben bereits angedeuteten gesunden Lebenswandel mit ausgewogener Ernährung und regelmässig Sport (jedoch nicht exzessiv in den Stunden vor dem Schlafengehen) umfassen solche Empfehlungen auch gezielt den Umgang mit und die Rahmenbedingungen für den Schlaf. Empfohlen werden regelmässige und ausreichende Bettzeiten. Täglich variierende Bett- und Aufstehzeiten können von unserer inneren Uhr nicht gut verarbeitet werden und die Tagesbefindlichkeit erheblich einschränken. Ausserdem wird seit vielen Jahren der Zusammenhang zwischen stark unregelmässigem Schlaf bei Schichtarbeit und Krebserkrankungen diskutiert, insbesondere dem Brustkrebs bei Frauen.

Nebst der Regelmässigkeit des Schlafes ist es wichtig, dass nicht zu wenig geschlafen wird. Allgemein gültige Empfehlungen für die Schlafdauer können nicht abgegeben werden, da sich das Schlafbedürfnis von Person zu Person unterscheidet und im Alter langsam abnimmt. Dennoch gibt es gute Hinweise, dass jüngere Menschen um die 20-30 Jahre im Durchschnitt etwa 9 Stunden, ältere Personen um die 60-70 Jahre etwa 7.5 Stunden Schlaf benötigen. Diese Zahlen liegen klar über den wiederholt ermittelten Schlafzeiten in der Bevölkerung. Viele Menschen können mit dem entsprechend vermuteten Schlafmangel gut umgehen und Defizite weitgehend, aber nicht vollständig kompensieren, wogegen andere mit dem gleichen Schlafmangel bereits erhebliche Symptome wie Tagesschläfrigkeit entwickeln können. Man kann für sich selber beispielsweise in den Ferien abschätzen, wie gross das Schlafbedürfnis effektiv sein könnte. Umgekehrt weist das Aufholen von Schlaf am Wochenende (was nur teilweise möglich ist) darauf hin, dass unter der Woche zu wenig geschlafen wurde – der regelmässige Schlaf drückt sich also auch in der Schlafdauer aus. Optimal ist eine Schlafdauer, welche am Morgen den Wecker nicht benötigt.

Selbstverständlich gehören zu den schlafhygienischen Prinzipien auch Empfehlungen zur Umgebung des Schlafes. Geschlafen werden soll, wenn man müde ist, in ruhiger, nicht zu warmer und dunkler Umgebung, und im Bett. Letzteres soll im Übrigen nur für (Bei-) Schlaf verwendet werden, Fernsehen im Bett mit wiederholtem leichten Einnicken ist einem guten Schlaf beispielsweise nicht förderlich. Auch potentiell ständige Störquellen wie Blaulicht-emittierende Geräte mit beispielsweise aufdringlichen sozialen Medien oder Versuchung zu Binge Watching sollten wenn möglich aus dem Bett verbannt werden. Weitere Tipps zur Schlafhygiene auf Seite 10.

Aus diesen Überlegungen zeichnet sich bereits ab, dass die 24-Stunden-Gesellschaft des 21. Jahrhunderts zunehmend Gefahr läuft, die Ressource Schlaf über Gebühren zu strapazieren. Das Arbeitsethos in vielen Unternehmungen verlangt – aus schlafmedizinischer Sicht durchaus zu Unrecht – zunehmend, dass Arbeitnehmer auch in Nachtstunden und am Wochenende erreichbar sind und Emails beantworten. Die zunehmende Digitalisierung unserer Gesellschaft macht aber auch vor dem Privaten nicht halt, mit einem erheblichen Teil von Mitmenschen, welche sowohl auf der Strasse wie auch nachts im Bett vor den kleinen Bildschirmen festkleben und Zeichen einer parallelen Welt harren, welche solcherart nicht nur den Schlaf, sondern auch den Kontakt zur Umwelt deprivieren.

Interessanterweise ist die Digitalisierung nicht nur Feind, sondern möglicherweise in Zukunft auch zunehmend Freund eines guten Schlafes. Bereits jetzt sind viele Smart Devices mit mehr schlecht als recht validierten Applikationen verfügbar, welche den Schlaf messen, in neudeutsch «tracken» sollen. Sofern solche Messungen einzig dazu dienen, ein Bewusstsein für einen guten und ausreichenden Schlaf zu schärfen, ist dagegen nichts einzuwenden. Die exzessive Beschäftigung mit dem Schlaf kann allerdings gegenteilige Wirkungen entfalten, indem die Angst vor einem ungenügend bemessenen Schlaf die Qualität von ebendiesem dann tatsächlich mindern kann. Demgegenüber haben neuere Entwicklungen wie mobile Geräte, welche den Schlaf nicht nur messen, sondern zusätzlich personalisiert verändern können, ein grosses Potential, wenn sie wissenschaftlich gut getestet und eingeführt werden. Als Beispiel sei an dieser Stelle das von uns verfolgte Projekt SleepLoop der Hochschulmedizin Zürich genannt, welches mit einem Kopfband den Schlaf individuell und zu medizinischen Zwecken verbessern soll. Diese und andere Entwicklungen zeigen, dass die Zukunft des Schlafes unter Umständen spannender wird, als dass manche von uns vermutet hätten.

Prof. Dr. med. Christian Baumann
Leitender Arzt
Klinik für Neurologie, UniversitätsSpital Zürich
christian.baumann(at)usz.ch
www.neurologie.usz.ch

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